Forschungsprojekt „Kulturelle und politische Transformation in Aceh, Indonesien, nach dem Tsunami“, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2009-2012
Aceh, die nordwestlichste Provinz Indonesiens, ist zurzeit Schauplatz einer beispiellosen Entwicklung, in deren Zentrum Fragen der Nationenbildung in postkolonialen Gesellschaften und der Konstituierung einer nichtwestlichen Moderne stehen. Ein dreißigjähriger Bürgerkrieg wurde durch internationale Mediation beendet, eine weitgehende regionale Autonomie durchgesetzt und Empowerment-Programme für Frauen implementiert. Dennoch ist Aceh auch im Jahr sechs nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages und dem weitgehend abgeschlossenen Wiederaufbau in Folge des verheerenden Tsunamis Ende 2004 durch komplexe Spannungsfelder gekennzeichnet. So kann das Verhältnis zwischen Region und Zentralregierung bezüglich der Verteilung politischer Kompetenzen (Subsidiarität) nach wie vor als angespannt bezeichnet werden. Wenngleich der erreichte Frieden aufgrund der weitgehenden politischen Integration der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung von Dauer zu sein scheint, ergeben sich erhebliche Probleme bei der Reintegration und Kompensation ehemaliger Kombattanten. Gleichzeitig läuft die Einführung und sukzessive Ausweitung strafrechtlicher Aspekte der Syariat Islam (Scharia) weit gehenden Ansätzen zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit entgegen. Mittels empirischer Untersuchungen wird in diesem Projekt der Frage nachgegangen, welche Strategien zentrale politische und zivilgesellschaftliche Akteursgruppen auf lokaler und regionaler Ebene einsetzen, um Deutungshoheit in den multiplen kontroversen Diskursen zu erlangen, die über die Zukunft der Provinz entscheiden und in den Bereichen Konfliktregulierung in multikulturellen Nationen und Durchsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in islamischen Gesellschaften eine Signalwirkung weit über Indonesien hinaus haben werden.