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Geschlechtergerechtigkeit durch Demokratisierung? Transformationen und Restaurationen von Genderverhältnissen in der islamischen Welt

Als sich die politische Opposition während des so genannten arabischen Frühlings in Tunesien, Ägypten und Marokko, in Jordanien, Libyen, und den Golfstaaten als öffentliche Protestbewegung formierte, vermerkte die internationale Presse besonders die große Anzahl von Frauen auf den Demonstrationen. Ihre aktive Teilnahme entsprach nicht dem vorherrschenden Bild arabischer Gesellschaften und man war gern geneigt, dies als Zeichen eines Umbruchs zu interpretieren, der nicht nur die Politik, sondern auch die sozialen und kulturellen Fundamente der arabischen Welt verändern würde.

Verschleierte und unverschleierte Frauen, die die Fäuste in die Luft reckten, zierten über Monate die Titelseiten von Hochglanzmagazinen, und auch die Fernsehanstalten zeigten gerne diesen Ausschnitt der Revolution. Als schließlich der jementischen Journalistin Tawakkul Karman für ihr politisches Engagement der Friedensnobelpreis verliehen wurde, schien es, als ob nicht nur ungeahnte Zeiten in der arabischen Welt anbrechen, sondern die Vorurteile des Westens gegenüber den islamisch geprägten Gesellschaftsordnungen gänzlich ad absurdum geführt würden. Viele arabische Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen verstärkten diesen Eindruck und wiesen jegliche Nachfrage nach den Konsequenzen der mit den Revolutionen einhergehenden Stärkung islamistischer Kräfte als islamophische Unterstellungen zurück. Andere waren skeptischer. In einem aufsehenerregenden Artikel mit dem Titel „Why they hate us“ hatte die  Journalistin Mona Eltahawy im Mai 2012 in der amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy die These aufgestellt, dass sich an der Diskriminierung und rechtlichen Benachteiligung von Frauen auch nach den Revolutionen wenig ändern würde. Zu fest verwurzelt sei die Vorstellung von der Minderwertigkeit der Frauen und der Rechtmäßigkeit männlicher Dominanz.

Dass Demokratisierung nicht automatisch zu einer geschlechtergerechten Ordnung führen muss, zeigt sich überall dort, wo sich Frauen aus freien Stücken für eine religiöse Ordnung entscheiden, die ihre Partizipation in Staat und Gesellschaft einschränkt. Das ist überall dort der Fall, wo es starke islamische Erneuerungsbewegungen gab, Bewegungen, die mittlerweile institutionalisiert sind oder sogar in der Regierungsverantwortung stehen. 

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