Das kurze Leben der Löwen. Die Männerträume deutscher Dschihadisten und die tödliche Realität
Der Dschihad ist ein archaischer Männertraum. Wenn man auf Youtube schaut, wie sich die internationale Gefolgschaft des selbst ernannten Kalifen Ibrahim al-Baghdadi der Öffentlichkeit präsentiert, dann fühlt man sich postwendend in ein Computerspiel versetzt. Martialisch gewandete Kerle donnern im Pick-up durch die Wüste, schießen auf alles, was sich bewegt, erfreuen sich bei Schießereien im Häuserkampf oder stoppen Autos und erledigen die zum Knien gezwungenen Insassen durch Genickschüsse.
Wer es ein bisschen härter mag, der nimmt sich ein Beispiel am Deutschtürken Mustafa K., einem Kumpel von Philip B., der mit einem abgeschnittenen Kopf vor mehreren verstümmelten Körpern posierte, oder an Farid S., der in einem Leichenfeld syrischer Ölarbeiter sitzend erzählte, sie hätten die Männer „abgeschlachtet“, weil sie das Fasten während des Ramadans gebrochen hätten. Gefährliche Waffen, martialische Gesten und die Gemeinschaft der Krieger unter weitgehendem Ausschluss von Frauen – all das sind Stereotypen, die man in modernen Gesellschaften weitgehend überwunden glaubte.
Die Selbstdarstellungen der Dschihadisten erschöpfen sich in endlosem Posieren mit Waffen, großspurigen Inszenierungen von Dominanz und Stärke und dem Feiern kameradschaftlicher Beziehungen, in die schon kleine Jungen eingebunden werden. „Möchtest du lieber Dschihadist oder Selbstmordattentäter werden“, fragt ein belgischer Milizionär seinen kleinen Sohn, und der Knirps entscheidet sich für die Variante, bei der er länger am Leben bleibt. In dieser Welt muss nicht für die Schule gelernt werden, es gibt keinen nervigen Arbeitsalltag und keinen Stress mit der Freundin. Die „Löwen“ zeigen sich frei, omnipotent und irgendwie immer gut gelaunt. Ob dies der Realität entspricht, darf bezweifelt werden, denn das bittere Ende kommt häufig schneller als erwartet.