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Sterbende weiße Männer. Feindbilder postkolonialer Aktivisten

Am 8. März dieses Jahres gab die Hip-Hop-Band K.I.Z. in Dortmund ein Konzert nur für Frauen. Um die Menge anzuheizen machten sich die Musiker ein bisschen über die aufkommende Angst vor Covid-19-Infektionen lustig. Diese sei nicht nötig, so die Rapper, denn die Wahrheit sei: „Dabei sterben nur alte, weiße Männer!“ Zehn Tage später schrieb ein Blogger, der sich selbst als „#noafd, AntiNationalist, überzeugter Europäer und für eine offene bunte Gesellschaft“ etikettierte: „Warum soll ich jetzt auf die alten Weißen Rücksicht nehmen, wenn Sie es die ganzen Jahrzehnten auch nicht für mich gemacht haben? #Klimakrise Und so denken nicht nur ich, sondern alle Jugendliche, die sich derzeit gegen das autoritäre Gelaber widersetzen und raus gehen feiern!“

Diese Beispiele stellen im Hinblick auf die Kaltschnäuzigkeit, die dabei zum Ausdruck kommt, sicherlich Extreme dar. Das Feindbild des alten weißen Mannes ist es jedoch nicht. Es steht vielmehr im Zentrum einer Narrative, die in sozialen Bewegungen jedweder Ausrichtung als verbindende subkutane Leiterzählung wirkt und bis weit in die Sozial- und Geisteswissenschaften hinein auf Zustimmung stößt. Das ist verblüffend und im höchstens Maße erklärungsbedürftig. Wie konnte es dazu kommen, dass unveränderbare körperliche Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht und Alter in einer aufgeklärten Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt diskriminierende Stereotypen abzulehnen, zu neuen Stigmata werden konnten?

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